LEBENSZEICHEN
ist ein Projekt-Titel der verschiedene Interpretationen zulässt. Zum Einen ist es das Zurückmelden eines Kulturschaffenden, der in den momentan schwierigen Coronazeiten wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen darum kämpft, weiterhin seinen künstlerischen Weg gehen zu können um etwas Positives und Kreatives zu schaffen. Auch die Frage nach dem Werdegang einst vertrauter Menschen, die man aus den Augen verloren hat, könnte gemeint sein. Zudem wäre der Titel auch als Synonym für das älter- und vom „Leben gezeichnet“ werden, denkbar. Obwohl das prinzipiell natürlich nichts Negatives, sondern ein ganz normales Phänomen unseres Lebens ist, hadern wir dennoch fast alle mit dem Altern. Vielleicht war es genau deshalb reizvoll und spannend, ein Photo-Projekt zu beginnen, das sich diesem Thema widmet. Gleichaltrige (mein Jahrgang ist 1959), aber auch etwas jüngere oder ältere Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsbereichen, wollte ich dafür gewinnen und portraitieren.
Die Idee entwickelte sich im Herbst 2020. Für meinen Motorroller und sperriges Studio Equipment suchte ich eine Garage oder einen Abstellraum. Durch Zufall entdeckte ich dabei in einem kleinen Dorf vor den Toren Freiburgs ein uraltes, wunderschönes Fachwerkhäuschen, dass aus seinen Dornröschenschlaf offenbar nur noch geweckt werden wollte. Es war ein großes Glück, dass ich es mieten und während der auftragslosen Corona- Zeit in aller Ruhe und vor allem mit viel Muse renovieren und ausstatten konnte! Da letztlich aber weder der Roller, noch die sperrigen Dinge wirklich hineinpassten, spielte ich nun mit dem Gedanken, den nur 15 Quadratmeter großen Wohnraum des ehemaligen Leibgedinghauses als professionelles „Tiny-Photo-Studio“ einzurichten und zu nützen. Nach einigem Tüfteln,viel Ausprobieren und individuellen handwerklichen Lösungen, gelang dies schließlich erstaunlich gut!
Das außergewöhnliche Ambiente, die ruhige, entspannte Atmosphäre, sowie der wunderschöne Innenhof unter schattenspendenden Platanen, inspirierten mich im Sommer zu immer neuen Ideen. Die Jahrhunderte alten Holzbalken mit ihren unzähligen Kerben, Rillen und Unebenheiten wirkten auf mich wie lebendige Skulpturen ,die Geschichten vom Leben vergangener Zeiten „erzälhten“. Dem wundervollen Charme des kleinen Häuschens kann man sich nicht entziehen! Hier zu sein ist wie ein Ausflug in eine andere Zeit, eine Auszeit vom Alltag, ein Entspannen und sich Wohlfühlen. Dass genau dieser Ort mit seiner außergewöhnlichen Atmosphäre optimale Voraussetzungen für ausdruckstarke, natürliche und authentische Portraits bieten könnte, lag nahe! Ich fand es konzeptionell auch sehr schlüssig, ähnlich wie bei den Fachwerkstrukturen bei Portraits „Lebenszeichen“ zu visualisieren, die zeigen, dass gerade das Alter eine ganz besondere Ausdruckskraft, Ästhetik und Schönheit ausstrahlt! Die Portrait-Serie plane ich im Stil der klassischen Schwarzweiß Photographie mit entsprechendem Lichtkonzept und jeweils drei Settings. Ein Portrait vor neutralem Hintergrund, ebenso ein Photo der Hände und ein Photo mit Studioambiente. Mein Wunsch und Anspruch ist es, authentische, natürliche, dem jeweiligen Menschen entsprechende Aufnahmen zu realisieren. 45 Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsbereichen photographierte ich schließlich für das Projekt. Die Photoserie ist sowohl als Ausstellung wie auch als Bildband publiziert worden .
Artikel von Elisabeth Jockers im Kulturjoker 01.02.2023
Artikel von Stella Schewe-Bonert im Amtsblatt Freiburg 24.12.2022